Als ich 15 war, starb meine Mutter bei einem Autounfall. Da ich nicht wusste, wie ich mit dem enormen Verlust und der Trauer umgehen sollte, stürzte ich mich in Hausaufgaben und andere Aktivitäten, verpasste nicht einen Schultag und versuchte, alles in meinem Leben zu kontrollieren.
Diese Strategie war in gewisser Hinsicht erfolgreich - ich bekam beispielsweise gute Noten. Aber einen Preis, den ich zahlen musste, um auf diese Weise meine Trauer zu vertreiben, gab es auch. Ich wurde ängstlich gegenüber allen Dingen, die ich nicht kontrollieren konnte, wie unerwarteten Planänderungen und kleineren Verletzungen.
Und als ich älter wurde, begann ich damit, mir irrational Sorgen zu machen. Beispielsweise hatte ich Angst, mein Baby in der Gebärmutter giftigen Dämpfen auszusetzen, wenn ich an einem ungewöhnlichen Geruch vorbeiging. Erst als mein erstes Kind geboren wurde, konnte ich mit Hilfe eines Therapeuten den Verlust meiner Mutter voll und ganz betrauern und all die Emotionen spüren, die ich so viele Jahre abgewehrt hatte.
Wie ich in meinem neuen Buch "Dancing on the Tightrope" schreibe, ist der Wunsch, das Unangenehme zu vermeiden (und das Angenehme zu suchen), Teil der menschlichen Natur. Das Vermeiden von unangenehmen Emotionen - anstatt sie zu akzeptieren - erhöht jedoch nur unsere psychische Belastung, Inflexibilität, Angst und Depression und mindert unser Wohlbefinden.
Annehmen lernen: Depressionen und Ängste anzunehmen ist der erste Schritt vorwärts
Untersuchungen legen nahe, dass wir weniger in Abhängigkeit geraten, wenn wir uns unserem Verlangen zuwenden. Indem wir uns unseren körperlichen Schmerzen zuwenden, ist es weniger wahrscheinlich, dass wir in Kreisläufen chronischer Schmerzen gefangen werden. Wenn wir uns unserer Traurigkeit zuwenden, ist es weniger wahrscheinlich, dass wir in eine Depression fallen. Und wenn wir uns unserer Angst zuwenden, ist es weniger wahrscheinlich, dass wir von ihr gelähmt werden und können sie leichter ertragen.
Als ich lernte, meine dunklen Emotionen anzunehmen, brachte dies nicht nur eine deutliche Verringerung meiner Angst mit sich. Auch die Fähigkeit, die Freuden des Lebens besser wahrzunehmen und das wachsende Vertrauen in meine Fähigkeiten verbesserte sich. Ich konnte die Herausforderungen des Lebens besser meistern. Als Therapeutin konnte ich auch bei meinen Patienten einen stark verbesserten Heilungsverlauf sehen, sobald sie gelernt hatten, ihre schwierigen Emotionen anzunehmen.
Untersuchungen legen nahe, dass wenn wir uns unserer Traurigkeit zuwenden, es weniger wahrscheinlich ist, in eine Depression zu fallen. Und wenn wir uns unserer Angst zuwenden, ist es weniger wahrscheinlich, dass wir von ihr gelähmt werden.“
Wenn wir vollkommener leben und unser authentischstes Selbst sein wollen, müssen wir uns unserem Schmerz zuwenden und nicht versuchen, ihn zu unterdrücken. Aber was kann uns helfen, dorthin zu gelangen? Die Werkzeuge der achtsamen Aufmerksamkeit, des Selbstmitgefühls und der Akzeptanz - die alle in einer Praxis zusammenkommen, die ich "Die Tür" nenne.
Um diese Übung selber anzuwenden, stelle sicher, dass du mit nicht zu intensiven Gefühlen beginnst. Vielleicht möchtest du auch mit einem erfahrenen Therapeuten zusammenarbeiten, besonders bei sehr intensiven Emotionen.
Hier ist, was „Die Tür“ ausmacht:
Stelle dir vor, du öffnest die Tür und heißt deine Gefühle willkommen, hereinzukommen und irgendwo im Raum Platz zu nehmen. Du kannst dir diesen Sitzplatz so nah oder so weit entfernt von dir vorstellen, wie du willst. Aus dieser Perspektive kannst du einen vorsichtigen und neugierigen Blick auf das werfen, was da ist.
Oft stellen sich die Leute ihre Emotionen in einer Farbe, Form oder Gestalt vor. Manchmal stellen sie sich ihre Gefühle als Comicfiguren oder als jüngere Ausgaben ihrer selbst vor. Ein Teil der Praxis besteht darin, einfach zu akzeptieren, was auch immer erscheint.
Dies ist für die meisten Menschen eine neue Erfahrung. Wer möchte schon Angst durch die Tür lassen? Wer möchte Trauer oder Wut hereinbitten? Aber wenn wir uns darauf einlassen, was auch immer erscheint, und es aus einiger Entfernung sehen, können wir einen neugierigen Blick darauf werfen und erkunden, was es ist.
Aufmerksames Beobachten dessen, was wir fühlen, kann uns helfen, mit dem Fertig zu werden, was vor uns liegt. Es kann nützlich sein, unsere Gefühle zu benennen (oh, das ist Verletzung, das ist Eifersucht, das ist Wut), weil wir, so einfach das klingt, oft nicht auf die Nuancen unserer Gefühle achten. Infolgedessen gehen wichtige Informationen auf dem Weg verloren.
Unsere belastenden Emotionen zu benennen, gibt uns zum einen die Möglichkeit, unsere innere Erfahrung zu validieren, und hat zudem den Vorteil, dass wir ihre Intensität verringern.
„Wer möchte schon Trauer oder Wut hereinbitten? Aber wenn wir einlassen, was auch immer ankommt, können wir einen neugierigen Blick darauf werfen und erkunden, was da ist."
Es kann auch von Vorteil sein, unsere emotionalen „Besucher“ als temporäre Gäste zu sehen. Das Hinzufügen des Ausdrucks "in diesem Moment" zu einer Aussage wie "Ich fühle Stress, Wut oder Schmerz", hilft uns. Es kann uns helfen, mit dem, was da ist, klar zu kommen, ohne uns überfordert zu fühlen. Andere Dinge, die du zu dir selbst sagen kannst, sind:
Viele von uns verdrängen unangenehme Gefühle nicht nur, sondern wurden auch dazu konditioniert, unsere Emotionen auf negative Weise zu beurteilen. Wir haben gelernt, dass, wenn wir Traurigkeit zeigen, dies ein Zeichen von Schwäche ist. Dass wir ein schlechter Mensch sind, wenn wir Wut oder Eifersucht empfinden; dass wir „weitermachen“ sollten, wenn wir Verluste erleben. Wenn wir mit schwierigen Emotionen konfrontiert werden, sagen wir uns oft, dass wir aufhören sollen, albern zu sein, oder dass etwas mit uns nicht stimmt.
Selbstfürsorge: Stell dir vor, ein/e liebevoll-sorgende/r Freund/in sitzt bei dir
Wenn wir Achtsamkeit in Kombination mit Selbstliebe und der Anerkennung unserer gemeinsamen Menschlichkeit (der Tatsache, dass wir alle als Menschen leiden) üben, pflegen wir Mitgefühl für uns selbst. Eine Eigenschaft, die mit psychologischen Wohlbefinden verbunden ist.
Um Mitgefühl für dich selbst zu üben, stelle dir vor, du sitzt mit einer/m guten Freund/in zusammen, der/die leidet, und überlege, wie du eine Geste des Mitgefühls zeigen kannst. Wie würde deine Körpersprache sein? Wie könntest du zuhören? Welche Empfindungen würdest du um dein Herz fühlen?
Stelle dir nun eine Person vor, die Mitgefühl für dich empfindet. Was würde sie sagen oder tun? Welche Worte würdest du als tröstlich oder beruhigend empfinden?
„Wenn wir Achtsamkeit in Kombination mit Selbstliebe und der Anerkennung unserer gemeinsamen Menschlichkeit (der Tatsache, dass wir alle als Menschen leiden) üben, pflegen wir Mitgefühl für uns selbst.“
Die Chancen stehen gut, dass du nicht aufgefordert wirst, dich zusammenzureißen, oder dass du nicht so fühlen solltest. Die Person könnte sagen:„Das hört sich wirklich schwer an. Ich bin für dich da." Oder sie streckt einfach ihre Hand aus.
Wenn wir lernen können, achtsam mit unseren eigenen Gefühlen umzugehen und Mitgefühl für das zu entwickeln, was wir erleben, ist es, als wären wir dieser fürsorgliche Freund, der mit uns selbst sitzt. Zu lernen, sowohl in den positiven als auch schmerzhaften Momenten für uns selbst da zu sein, kann eine enorme Heilung sein.
Während das Umarmen unserer dunklen Emotionen Mut und Übung erfordert, erlaubt uns die Tür-Technik, ein Geschenk auf der anderen Seite zu öffnen.
"Zu lernen, sowohl in den positiven, als auch in schmerzhaften Momenten für uns selbst da zu sein, kann eine enorme Heilung sein."
Jedes Mal, wenn wir üben, mit unseren schwierigen Emotionen umzugehen, bauen wir innere Ressourcen auf. Wir lernen, auf unsere Fähigkeit zu vertrauen, mit unseren Erfahrungen umzugehen. Damit entwickeln wir die Widerstandsfähigkeit, um die Herausforderungen des Lebens zu meistern, und finden Wege, um das zu verfolgen, was wirklich zählt. Jeder von uns hat die Macht, sich dem zu stellen, was schwierig ist, wenn wir nur die Tür öffnen. ●
Titelbild: Marc Bruxelle
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Dieser Artikel erschien ursprünglich bei Greater Good, dem Online-Magazin des Greater Good Science Center an der UC Berkeley. Happiness.com hat die Ehre, es mit freundlicher Genehmigung des Greater Good Science Center erneut zu veröffentlichen. Mehr Informationen unter greatergood.berkeley.edu.
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